Kleines Wetterfenster ermöglicht volles Programm

Pressemitteilung - 19. August 2022

Kleines Wetterfenster ermöglicht volles Programm

Das „Big Picture“ der Wetterprognose durch die Kieler Wetter-Experten von Wetterwelt sorgte für sorgenvolle Gesichter zur morgendlichen Besprechung der Wettfahrtleiter zum Revival der olympischen Segelregatten von 1972. Doch der direkte Blick durch den Nieselregen über der Kieler Außenförde offenbarte dann doch die Chance zum Segeln. Und nach schnellem Agieren mit wenig Wind kam die befreiende Nachricht von Bahn Juliett durch Wettfahrtleiter Fabian Bach: „Zweite Tageswettfahrt im Ziel, Meisterschaft gesichert.“ Gemeint war die WM der Tempest, die sogar noch eine weitere Wettfahrt schafften und damit nach drei Tagen fünf Rennen in der Liste haben. Das Olympia-Revival hat damit zwar zögerlich Fahrt aufgenommen, aber der Motor läuft. Denn auch die Drachen (drei Wettfahrten), Flying Dutchmann (drei Wettfahrten) und Stare (zwei Wettfahrten) verbuchten erste Resultate für die Ergebnisliste. Zur offiziellen Eröffnung des Events am Abend im Olympiazentrum durften dann Markus Wieser/Thomas Auracher (WM der Tempest), Kay-Uwe Lüdtke/Kai Schäfers (IDM der Flying Dutchman), Ingo Ehrlicher/Michael Lipp/Anton Ehrlicher (Drachen) und Reinhard Schmidt/Niels Hentschel (Starboote) als derzeit Führende gehen.

WM der Tempest
Zweimal in Folge (2019 und 2021) sind die bayerischen Profisegler Markus Wieser/Thomas Auracher nach ihrem Einstieg in die Tempest-Klasse Weltmeister geworden. Nun streben die Titelverteidiger dem Sieg-Hattrick entgegen. Doch einfach wird es ihnen auf dem Olympiarevier von 1972 nicht gemacht. Lars und Leif Bähr (Berlin) bestreiten zwar erst ihre WM-Premiere, haben aber als zweimalige Sieger der German Open (2019 und 2021) schon bewiesen, dass sie Sieganwärter sind. So liefern sich die beiden Crews enge Duelle. Auf die Spitze trieben sie es im dritten Tagesrennen. Nachdem sie jeweils einen ersten und einen dritten Platz eingefahren hatten, kam es in der Abschlusswettfahrt des Tages zu einem fast toten Rennen. Die Reaktion beider Steuerleute war schließlich identisch: Zentimeterentscheidung! So zeigten sie es mit Zeigefinger und Daumen an. „Keine Ahnung, wer gewonnen hat“, so Markus Wieser und Lars Bähr wortgleich. Das Zielgericht sah Wieser/Auracher vorn, die damit eine denkbar knappe WM-Führung innehaben. „Die sind gut, die Jungs. Das sind harte Kämpfe, aber alles freundschaftlich. So macht es Spaß“, sagte Wieser, der zur WM jeweils eine von zwei Tempest-Regatten segelt, darüber hinaus in anderen Segel-Kampagnen engagiert ist.

„Es war an sich ein erfolgreicher Tag, aber nichts für die Nerven“, berichteten die Bähr-Brüder. „Vor allem das letzte Rennen. Wir lagen auf dem Downwinder vorn, als Markus und Thomas mit frischem Wind ankamen. Wir haben sie in einen Luvkampf gezwungen, damit sie nicht über uns drüberfahren.“ Das Überholmanöver konnten sie zwar verhindern, aber Wieser/Auracher waren an der Bahnmarke in der Position, um früher die Halse zu setzen und den Kurs Richtung Ziel einzuschlagen. Dicht an dicht ging es auf die Linie zu, und eine Winzigkeit entschied über den Sieg.

Hinter den beiden Top-Teams nehmen nach fünf Wettfahrten die 2018er-Weltmeister Christian Spranger/Christoph Kopp (Seebrucker RV) den Bronzerang ein.

Die Flaute blieb aus: Die Tempest absolvierten drei Wettfahrten und holten damit eine Wettfahrt auf. Foto: www.segel-bilder.de

IDM der Flying Dutchman
Zur Kieler Woche haben sich Kay-Uwe Lüdtke/Kai Schäfers (Berlin/Arnsberg) noch den Abonnement-Weltmeistern im Flying Dutchman, Szabolcs Majthényi/András Domokos, geschlagen geben müssen. Aber schon vor zwei Monaten erkannten sie, dass die Ungarn nicht unschlagbar sind. Die WM auf dem Gardasee im September und das Olympia-Revival haben sie dafür als perfekte Momente auserkoren. Vor Kiel machten sie in den ersten Wettfahrten schon mal einen großen Schritt, um die Dauersieger zu entthronen. In der 51 Boote starken Flotte beherrschten Lüdtke/Schäfers den ersten Tag, liegen mit den Plätzen 1, 1, 3 fünf Punkte vor den Ungarn Majthényi/Domokos. Dahinter folgen Kilian König/Johannes Brack (Hamburger Segel-Club) und der dänische 1988er-Olympiasieger Jörgen Bojsen-Möller mit seinem Bruder Jacob an der Vorschot.

Ulli Libor/Ernst Greten (Norddeutscher Regatta Verein) sind die älteste Crew am Start. Libor gewann 1972 die Olympische Bronzemedaille vor Kiel und tritt 50 Jahre später beim Revival und der FD-IDM an. Foto: www.segel-bilder.de

„Heute lief es wirklich rund. Immer die richtige Seite und gute Starts“, war Kai Schäfers mit dem Tag sehr zufrieden. „Zweimal einen Start-Ziel-Sieg und dann immer genug Speed, um den Vorsprung auszubauen, waren gute Voraussetzungen für die Siege. Wir konnten immer bestimmen, wann gewendet wird“, so Steuermann Kay-Uwe Lüdtke. Auch wenn das dritte Rennen enger war, haben die zweifachen Kieler Woche-Sieger und vierfachen Deutschen Meister einen Podestplatz im Visier.

Aber noch wichtiger als die IDM vor Kiel ist die WM in drei Wochen auf dem Gardasee (Italien). „Das hier ist von der Konkurrenz her schon fast eine Pre-Worlds. Es fehlen nur ein, zwei Crews, die in der Spitze mitmischen“, so Schäfers. Und mit dem Blick nach Italien zeigt sich Lüdtke selbstbewusst. „Wir waren schon dreimal Vizeweltmeister, und Bronze haben wir auch schon geholt, da fehlt doch nur noch eine Medaille, um es abzurunden“, so Lüdtke, der letztlich einen Platz auf dem Podium anpeilt, aber auf Gold schielt.

Das geht auch den Brüdern Bojsen-Möller so: „Das Revival nutzen wir als WM-Vorbereitung. Wir hatten allerdings auf mehr Wind gehofft“, so Steuermann Jörgen. Mit der Performance des Tages war er nur bedingt zufrieden: „In den beiden ersten Wettfahrten sind wir zu vorsichtig gestartet. In der dritten war der Start gut, und dann war es ein perfektes Rennen.“ Sein Bruder Jacob fügte hinzu: „Am Ende des Tages ist das Gefühl okay, aber erst war es schrecklich. Ein Lob geht an die Wettfahrtleitung. Sie hat die Rennen schnell durchgezogen, und die Startlinien waren perfekt.“

Die Berliner Crew Kay-Uwe Lüdtke/Kai Schäfers führt bei den FD mit den Plätzen 1,1,3. Die vierfachen Vize-Weltmeister schielen auf einen Podest-Platz. Foto: Sascha Klahn

Drachen
So schultert man die Favoritenbürde! Ingo Ehrlicher (Bayerischer YC) ist mit seiner Crew bei der WM der Drachen als Vierter gerade bester Deutscher geworden und bildet nun mit Sohn Anton und Taktiker Michael Lipp im Feld der 35 Kielboote das Team, das es zu jagen gilt. Und Ehrlicher lässt sich jagen. Soll heißen: Er lässt das Feld hinter sich. Drei Rennen, drei Siege ist die Bilanz der „Dottore Amore“. „In den ersten beiden Wettfahrten war auch etwas Glück dabei, aber das dritte haben wir deutlich mit 200 Metern Vorsprung gewonnen“, bilanzierte der Steuermann den perfekten Tag und lobte seine beiden Vorderleute. „Super Taktik und super Arbeit im Vorschiff. Das macht es für den Steuermann einfach.“ Taktiker Michael Lipp griff in den beiden ersten Wettfahrten tief in die Trickkiste, um sein Team zum Sieg zu führen. Im ersten Rennen drohten die Favoriten nach dem Start zu versacken, wendeten weg und zogen bei freiem Wind mit Speed und Höhe davon. In der zweiten Wettfahrt führte sie die Entscheidung für die rechte Seite auf der zweiten Kreuz nach vorn und schließlich eine frühe Halse ganz an die Spitze. Rundum glücklich mit den Resultaten ist der 18-jährige Anton Ehrlicher, für den es die erste große Drachen-Regatta ist.

„Die Konkurrenz ist ganz gut, es sind zehn sehr gute Teams dabei. Wir hätten uns aber etwas mehr Resonanz gewünscht, haben in Süddeutschland ordentlich Werbung gemacht. Wir kommen gern hierher“, sagte Ingo Ehrlicher. Taktiker Lipp kommt seit 23 Jahren zur Kieler Woche und stellt fest: „Es ist schön, dass die Drachen mal wieder hier sind.“

Die Drachen absolvierten am Freitag drei Wettfahrten. Foto: www.segel-bilder.de
Drei Wettfahrten, drei Siege: die bayerische Drachen-Crew Ingo Ehrlicher/Michael Lipp/Anton Ehrlicher legten eine saubere Serie hin. Foto: www.segel-bilder.de

Star
Die deutsche Star-Klasse richtet ihren Fokus auf frische Kräfte und erntet jetzt die Früchte. Durch die große Nachwuchs-Initiative von Arnd Glunde (Flensburg) und Helge Spehr (Kiel) sind junge Umsteiger aus anderen Disziplinen in die ehemalige Olympiaklasse gewechselt, die nun das Geschehen mitbestimmen. Jan Borbet/Helge Spehr (München/Malente) platzierten sich im vergangenen Jahr zur Weltmeisterschaft auf dem Kieler Revier als beste Junioren auf Platz zwölf. Jetzt knüpfen sie an diese starke Vorstellung an, gewannen das erste Rennen, mussten anschließend aber einen 17. Platz verkraften. So ziehen vorerst andere Jung-Stare den Blick auf sich: Max Kohlhoff/Ole Burzinski (Kiel/Flensburg) sind Vierte. „Besser als erwartet“, so Kohlhoff. „Die Bedingungen waren schwierig. Der Wind war mal on, mal off. Mal ging es hart über links, dann hart rechts. In der ersten Wettfahrt war es eine starke Aufholjagd von uns, in der zweiten waren fast alle gleichzeitig an der ersten Tonne und es kam auf die Vormwind-Geschwindigkeit an.“

Die ersten drei Plätze sind international bunt gemischt. Reinhard Schmidt/Niels Hentschel (München/Schaumburg-Lippe) führen vor Jörgen Schönherr/Markus Koy (Dänemark/Hamburg) und den Niederländern Roel und Tjacko van Olst. „Es ist schön, die Vergangenheit mit den Olympischen Spielen 1972 zu ehren. Für mich war es damals ein großer Push, um mit dem Regattasegeln zu beginnen. Mein großes Vorbild war natürlich Paul Elvström“, berichtete Schönherr, der in der ersten Wettfahrt den ersten Platz durch einen defekten Baumniederholer verloren hat, dadurch auch die Gesamtführung nach dem ersten Tag abgab. „Aber wir haben alles auf dem Wasser fixen können“, so Vorschoter Markus Koy, der am Donnerstag noch kurzfristig im Drachen eingesprungen war, jetzt aber im Star das Olympia-Revival segelt.

Jörgen Schönherr und Markus Koy belegten bei der Star-WM vor Kiel im Vorjahr Platz vier. Die dänisch-deutsche Crew liegt nach dem ersten Tag bei der Revival-Veranstaltung auf Platz zwei. www.segel-bilder.de

Text: Hermann Hell / Ralf Abratis

Der Regatta-Plan

50 Jahre Olympia vor Kiel-Schilksee:
Klassen: Drachen (Ranglisten-Regatta/ 8 Wettfahrten), Flying Dutchman (IDM/ 7 Wettfahrten), Star (North European Championship/ 6 Wettfahrten), Tempest (WM/ 9 Wettfahrten).

  • Mittwoch, 17. August: Vermessung: Star; Wettfahrten: Tempest – 11:00 Uhr erster Start
  • Donnerstag, 18. August: Wettfahrten: Tempest, Drachen
  • Freitag, 19. August: Wettfahrten: Tempest, Star, Drachen, Flying Dutchman; 18:00 Uhr: Eröffnungsfeier
  • Samstag, 20. August: Wettfahrten: Tempest, Star, Drachen, Flying Dutchman
  • Sonntag, 21. August: Wettfahrten: Tempest, Star, Drachen, Flying Dutchman – danach: Siegerehrungen
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