Feuer und Flamme für die olympische Idee
50 Jahre nach den Olympischen Spielen von München und Kiel nimmt die Idee, das weltweit größte Sportevent wieder nach Deutschland zu holen, neue Fahrt auf. Zwar hallen die ablehnenden Bürgerentscheide in München für die Winterspiele 2022 und in Hamburg für eine Bewerbung 2024 noch lautstark nach, aber die Jubiläumsveranstaltungen in München und Kiel für die 72er-Spiele wecken frische Emotionen. Ein neuer Anlauf auf Olympia in Deutschland wäre frühestens für 2036 möglich, nachdem das Internationale Olympische Komitee (IOC) die Spiele 2032 bereits an Brisbane/Australien vergeben hat. Als Partner einer deutschen Bewerbung stünde Kiel bereit für die Austragung der Segelwettbewerbe, betont Oberbürgermeister Ulf Kämpfer.
Mit Europameisterschaften in neun Sportarten richtet München noch bis zum 21. August eine Art Mini-Olympia aus und beweist in den Sportstätten von 1972, wie nachhaltig die Spiele in Deutschland waren. Während anderenorts die Stadien und Arenen nach Olympia kaum mehr genutzt wurden, ist auch das Olympiazentrum in Kiel ein glänzendes Beispiel dafür, dass die Spiele nicht für sich stehen, sondern Anlass sein können, eine Infrastruktur für jahrzehntelange Nutzung zu schaffen. Für Kiel waren die Bauten zu Olympia der Start in eine neue Zeitrechnung – weg von der militärisch geprägten hin zu einer weltoffenen Stadt. Mit dem Bau der Autobahn zur A7 war das Olympiazentrum ohne Ampelaufenthalt mit dem Hamburger Flughafen verbunden. Eine schnelle Verbindung, die auch heute noch die Verlinkung von Kiel nach Hamburg trägt.
Die Bauten in Schilksee werden zwar vielfach wegen ihres Beton-Charmes kritisiert, doch bis heute genügen Hafen und Hallen den Ansprüchen für hochklassige Veranstaltungen. Aktuelles Beispiel: die Gemeinsamen Internationalen Deutschen Jugendmeisterschaften und das Revival der Olympiaregatten von 1972 vom 11. bis 21. August.
Mit der Einlaufparade der Jugendsegler sowie ihrer Betreuer am ehemaligen Olympiafeuer vorbei wurden am vergangenen Donnerstag Erinnerungen an die Spiele wach. Kiels Stadtrat Gerwin Stöcken verglich die Atmosphäre mit der fröhlichen Stimmung von 1972.
Ist das Olympiazentrum also bereit für neue Olympische Spiele? „Natürlich brauchen die Bauten ein Update. Es ist nicht mit etwas Farbe getan“, sagt OB Ulf Kämpfer und nennt Details: „Es würde eine umfangreiche Sanierung benötigt. Man bräuchte eine neue Bootshalle, die Digitalisierung müsste vorangetrieben werden. Natürlich sind für Olympia auch temporäre Bauten denkbar. Aber es müsste auch ein neues olympisches Dorf entstehen.“ Pläne für die Bewerbung zu den Spielen 2024 hat es zwar gegeben, aber die wieder aus der Schublade zu ziehen, sei nicht denkbar, so Kämpfer: „Für die damalige Bewerbung haben wir auch das ehemalige MFG5-Areal in Friedrichsort optioniert. Das steht aber für künftige Bewerbungen nicht mehr zur Verfügung, denn es wird in den 2030er Jahren bebaut werden.“ So steht – auch mit Blick für kurze Wege auf die Regattabahnen – fest: Das Olympiazentrum in Schilksee wäre der Standort der Wahl. „Auch wenn es viele Fragen zu klären gilt. Der Denkmalschutz und Eigentümergemeinschaften haben über die Nutzung der Bauten mitzubestimmen. Es ist keine leicht, aber eine denkbare Aufgabe, das Olympiazentrum neu zu entwickeln“, so Kämpfer.
Dass der Zustand des Schilkseer Hafens bei der Bewerbung 2015 für die Spiele 2024 Olympia-tauglich war, lag auch an dem finanziellen Einsatz der Sporthafen GmbH, in deren Obhut die Kieler Häfen seit 1997 liegen. Die Baumaßnahmen wie die Sanitäranlage Nord, die Slipanlage im Südhafen und die Schwimmstege im Hafen Nord sind einige Beispiel des finanziellen Einsatzes. Zuletzt nahm die Sporthafen GmbH 750.000 Euro für die Renovierung der Spundwand im Hafen Nord in die Hand. „Wir haben uns schon zwischendurch echt verschuldet“, so der Geschäftsführer Philipp Mühlenhardt. Nach den nötigen Umbauten, um Schilksee behindertengerecht zu gestalten, finanziert durch die Stadt, ist der Olympiahafen bereit für weitere große Events. Für die nächste Kieler Woche 2023 (17.-25. Juni) sowieso.
Beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) entstehen mit den 50-Jahr-Feiern in München und Kiel neue Begehrlichkeiten. Die Rhein-Ruhr-Initiative ist mit einer Idee für 2032 zwar vorerst gescheitert, aber DOSB-Präsident Thomas Weikert setzt zunächst einmal auf eine wachsende Akzeptanz in Deutschland, um dann eine neue Bewerbung anzuschieben. Und Ulf Kämpfer zieht aus dem Zuschlag für Brisbane weitere Motivation: „Das ist ein Fingerzeig, dass eine Bewerbung abseits der Gigantomanie, so wie wir es uns vorstellen, eine Chance hat.“
Text: Ralf Abratis
Der Regatta-Plan
50 Jahre Olympia vor Kiel-Schilksee:
Klassen: Drachen (Ranglisten-Regatta/ 8 Wettfahrten), Flying Dutchman (IDM/ 7 Wettfahrten), Star (North European Championship/ 6 Wettfahrten), Tempest (WM/ 9 Wettfahrten).
- Mittwoch, 17. August: Vermessung: Star; Wettfahrten: Tempest – 11:00 Uhr erster Start
- Donnerstag, 18. August: Wettfahrten: Tempest, Drachen
- Freitag, 19. August: Wettfahrten: Tempest, Star, Drachen, Flying Dutchman; 18:00 Uhr: Eröffnungsfeier
- Samstag, 20. August: Wettfahrten: Tempest, Star, Drachen, Flying Dutchman
- Sonntag, 21. August: Wettfahrten: Tempest, Star, Drachen, Flying Dutchman – danach: Siegerehrungen